Niedersachsen laufen die Studenten davon – Pro Jahr Lücke von 33.200

Quelle Lingener Tagespost Nord West v. 25.01.2012 Hannover. Trotz der geringsten Erwerbslosigkeit seit 19 Jahren gibt es auf dem Arbeitsmarkt in Niedersachsen Probleme. So verwies die Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit (BA) gestern in Hannover auf eine verstärkte Abwanderung von Abiturienten und Auszubildenden in andere Bundesländer; dies drohe den Fachkräftemangel in Niedersachsen noch zu verschärfen.

Eine aktuelle Studie des BA-Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) kommt nach Darstellung ihres Autors Uwe Harten zu der Erkenntnis, dass immer mehr Abiturienten aus Niedersachsen ein Studium in anderen Bundesländern starten und immer weniger Studienanfänger von außerhalb in dieses Bundesland strömen. 2003 habe dieser „Wanderungsverlust“ noch bei 30200 Studierenden gelegen; im Wintersemester 2009/2010 komme Niedersachsen in der Bilanz bereits auf ein Minus von 33200. Das Land zwischen Ems und Elbe liege damit bundesweit an letzter Stelle.
Harten, der als eine Ursache für die negative Entwicklung die in Niedersachsen erhobenen Studiengebühren anführte, verwies auf einen ähnlichen Trend bei Auszubildenden. Zuletzt seien 17000 Lehrlinge von Niedersachsen in andere Bundesländer gependelt, 3500 mehr als 2003. Die Zahl der Auspendler liege um 6000 über der der Einpendler aus anderen Bundesländern.

Befürchtet werden muss angesichts dieses Trends laut Harten, dass Niedersachsen Fachkräftepotenzial verliert, auf das man angesichts der rückläufigen Bevölkerungsentwicklung dringend angewiesen sei. Dabei habe das Land ohnehin bereits ein unterdurchschnittliches Qualitätsniveau bei den Beschäftigten zu verzeichnen: nur 8,8 Prozent Akademikerquote gegenüber 10,8 Prozent im westdeutschen Schnitt.
Auch der Chef der BA-Regionaldirektion Niedersachsen/Bremen, Klaus Stietenroth, bezeichnete die Fachkräftesicherung mit Blick auf die nächsten Jahre als „Megathema“. Bis 2025 drohe die Zahl der Erwerbsfähigen hier um 500000 zu sinken.
2011 war allerdings laut Stietenroth „ein richtig gutes Jahr“ für den heimischen Arbeitsmarkt. So sei die Zahl der Erwerbslosen mit 274616 (6,9 Prozent) auf den niedrigsten Stand seit 19 Jahren abgesackt; die Anzahl der Beschäftigten habe in Niedersachsen mit drei Prozent bundesweit am stärksten zugenommen und eine neue Rekordmarke erreicht. Besonders stark gemildert worden sei die Arbeitslosigkeit bei den unter 25-Jährigen. Dagegen stagniere die Lage bei den über 50-Jährigen; bei Schwerbehinderten gebe es sogar einen Anstieg.
Stietenroth, nach dessen Worten etwa 100000 weitere Niedersachsen als arbeitssuchend einzustufen sind (unter anderem die Teilnehmer von Maßnahmen), verwies auf große regionale Unterschiede. Mit einer Quote von 3,7 Prozent liege die Grafschaft Bentheim am günstigsten; Hannover mit 9,5 Prozent ganz hinten.