„Über Berufsgrenzen hinweg“ Ärzte in Lingen sind für kooperative Versorgung

Nach dem Besuch der Niedersächsischen Sozialministerin Cornelia Rundt vom 9. April in der Baccumer Gemeinschaftspraxis hier nun ein Interwiev der Lingener Tagespost mit Wolfgang Hentrich Vorsitzender des Gesundheits- und Ärztenetzes Genial, das wir gerne mit freundlicher Genehmigung der LT- Redaktion veröffentlichen.

Dr. Wolfgang Hentrich; Vorsitzender des Ärztenetzwerkes GENIAL

Lingen. Um mit einer geringeren Anzahl von Ärzten künftig die Versorgung zu gewährleisten, sind kooperative Versorgungsmodelle über Berufsgrenzen hinweg erforderlich. Das betont der Vorsitzende des Lingener Gesundheits- und Ärztenetzes Genial und Arzt Wolfgang Hentrich in einem Interview mit unserer Zeitung.

 

Nichtärztliche Praxisassistentinnen im Gesundheitswesen, kurz NäPA genannt, sollen die Ärzte im Emsland entlasten. Wann werden die ersten Kräfte eingesetzt? Was versprechen Sie sich von der Neuregelung?

Die Arbeitsgruppe NäPA – bestehend aus Dr. Volker Eissing, Werner Koop und mir – hat in Kooperation mit der Landesärztekammer Niedersachsen 2013 und 2014 jeweils 20 nichtärztliche Praxisassistentinnen ausgebildet. Diese Qualifikation wurde bundesweit erstmalig angeboten und umgesetzt. Seit April 2013 sind die ersten Kräfte im Emsland erfolgreich im Einsatz. Die Kompetenzsteigerung von Mitgliedern eines Praxisteams führt zu einer besseren Steuerung und Ausnutzung der Ressourcen. Dem Patienten können Fehlsteuerungen und Wartezeiten erspart werden. Darüber hinaus bieten NäPAs die Möglichkeit, qualifizierte Versorgung zu Patienten zu bringen, die eine Praxis nicht mehr selber aufsuchen können.

Durch die Aufgabe zahlreicher Landarztpraxen im Emsland wird sich in den nächsten Jahren ein deutlicher Ärztemangel ergeben. Welche Gegenmaßnahmen schlagen Sie vor?

Die Frage ist unter zwei Aspekten zu beantworten. Die Verminderung der Landarztzahl ist nur noch bedingt zu beeinflussen. Die Altersstruktur der jetzt tätigen Kollegen bedingt eine hohe Abgangsquote in den nächsten Jahren. Natürlich werben wir alle um Nachwuchskräfte, aber auch bei günstigen Prognosen wird ein vollständiger Ersatz nicht gelingen. Attraktive Rahmenbedingungen für die jungen Kollegen und ihre Familien sind sicher absolut notwendig. Dazu gehören berufliche Perspektiven für die Lebenspartner, flexible Kinderbetreuungsmöglichkeiten und verlässliche Ausbildungsstrukturen. Die Verbesserung der Arbeitsbedingungen durch funktionierende Arztnetzwerke wie die Genial eG sind ein wesentlicher Standortvorteil beim Werben um ärztlichen Nachwuchs.

Da sind wir auch gleich beim zweiten Aspekt. Um mit einer geringeren Anzahl von Ärztinnen und Ärzten die Versorgung zu gewährleisten, brauchen wir kooperative Versorgungsmodelle über Berufsgrenzen hinweg. Ein gutes Beispiel dafür ist unser Besuchsarztmodell für Pflegeheimbewohner, das in dieser Form bundesweit einmalig ist. Dieses Modell vernetzt zukunftsweisend ärztliche und pflegerische Tätigkeit. Solche Konzepte können den Landarztmangel abfedern.

Was muss sich ändern, damit mehr junge Menschen den Beruf des Hausarztes ergreifen?

Erstens muss die Wertigkeit der nicht hoch spezialisierten Medizin in der Ausbildung und in der öffentlichen Wahrnehmung deutlich verbessert werden. Studenten wird nicht vermittelt, dass die Langzeitbetreuung eines Menschen die eigentliche Königsdisziplin der Medizin ist. Das ist übrigens auch eine Anfrage an die Medien und ihre Darstellung des Arztberufs. Zweitens brauchen wir dringend einen Abbau von Bürokratie und eine angemessene Bezahlung.

Viele Patienten werden aus den Krankenhäusern frühzeitig entlassen und finden sich anschließend in den Hausarztpraxen wieder. Welche Probleme sind damit verbunden?

Die pauschalierte Bezahlung der Krankenhäuser zieht nahezu zwangsläufig ein solches Vorgehen nach sich. Krankenhäuser sind aufgefordert, sich ökonomisch sinnvoll zu verhalten. Die Probleme entstehen hauptsächlich durch fehlende, ungenaue oder fehlgeleitete Kommunikation. Hier ist eine Optimierung des Entlassungsmanagements unter rechtzeitiger Einbeziehung der Arztpraxen, aber auch anderer Hilfssysteme notwendig. Die Sektoren übergreifende Vereinbarung von Therapiestrategien ist eine weitere Möglichkeit, Reibungsverluste zu verringern. Die Bereitschaft dazu ist bei allen Beteiligten vorhanden. An Konzepten wird sowohl lokal als auch auf Landkreisebene gearbeitet.
 

 

Zur Sache: Bei dem Gesundheitsnetz Genial eG handelt es sich um einen genossenschaftlichen Zusammenschluss von derzeit 52 Haus- und Fachärzten in Lingen und Umgebung. Zusammen mit weiteren Kooperationspartnern verfolgen die Ärzte das Ziel, die Versorgung von Patienten aus dem Lingener Raum auch in der Zukunft unter zunehmend schwierigen Bedingungen effizient, aber weiter menschlich und qualitativ hochwertig sicherzustellen. Im Gegensatz zu zentralisierten medizinischen Versorgungszentren setzt das Gesundheitsnetz im Raum Lingen auf die dezentrale und wohnortnahe Betreuung der Patienten. Kontakt: Genial eG, Kaiserstraße 10b, Telefon 0591/8073243, Telefax 0591/ 8073244, E-Mail schwerdt@nullgenial-lingen.de