Besuch im Haus St. Katharina Beeindruckt vom Umgang mit Demenzkranken in Thuine

SPD Baccum besucht Demenzstation St. Katharina in Thuine. Lesen Sie dazu den sehr beachtenswerten Artikel in der Lingener Tagespost vom heutigen 3. Mai den wir mit freundlicher Genehmigung der Redaktion hier veröffentlichen.

Die "Acht" in Thuine
Foto: Heskamp
Wie eine Acht ist die Pflegeeinrichtung St. Katharina in Thuine geformt. Auch architektonisch kommt das Haus dadurch dem Bewegungsdrang der Patienten entgegen. Foto: Heskamp

Thuine. Die alte Dame lächelt den Besuchern entgegen. „Ich muss nach Hause“, sagt sie und geht langsam davon. Die Rentnerin ist in der „Acht“ unterwegs, im so geformten Gebäude der Pflegeeinrichtung St. Katharina in Thuine. Sie dreht sich im Kreis, ist dort angekommen, wo ihr keiner folgen, man sie wohl aber begleiten kann.

Was das im Einzelnen für Betroffene wie auch für deren Angehörige bedeutet, erfahren Vertreter der SPD aus Baccum, Thuine, Lengerich und weitere interessierte Bürger bei einem Besuch in der Einrichtung in Trägerschaft der Thuiner Franziskanerinnen.

Leiterin Schwester M. Debora Schwering führt die Gruppe durchs Haus. Gebeugt von der Last der schweren Arbeit? Beladen durch den ständigen Umgang mit Menschen, die sich selbst verloren haben, die an der Schwelle zum Tod stehen? Keine Spur. Das leidenschaftliche Interesse der Leiterin an den Menschen in der „Acht“, Patienten wie Bediensteten, ist für jeden der zuhörenden Besucher im Raum spürbar.

Das Haus St. Katharina in Trägerschaft der Thuiner Franziskanerinnen ist Ende 2006 als Pflegeeinrichtung für bis zu 55 schwer an Demenz erkrankte Menschen eröffnet worden. Das Besondere am Gebäude ist die Einbindung der Architektur in das Betreuungskonzept für die Bewohner. Der Grundriss als liegende Acht kommt dem oft starken Bewegungsdrang der Demenzkranken entgegen.

Diese kommen auf ihren langen Spaziergängen in dem komplett ebenerdigen Gebäude ohne Sackgassen immer wieder in den im Kreuzungspunkt befindlichen Gemeinschaftsräumen oder zum offenen Wohnzimmer zurück. Auch im Gartenbereich ist ein Spazierweg in Form einer liegenden Acht eingerichtet worden. Folgen der Erkrankung können durch diese und psychosoziale Therapien gemildert werden – heilbar ist Demenz bis heute noch nicht.

Zwischen 58 und 91 Jahre alt sind zurzeit die Patienten im Haus Katharina. „Der Jüngste war 45“, berichtet die Leiterin und macht damit deutlich, dass die Erkrankung keineswegs nur ältere Menschen betrifft. 25 stehen derzeit auf der Warteliste. Bis zu einem Jahr kann es dauern, bis ein Platz frei wird. Nüchterne Zahlen, die nichts darüber aussagen, welche Ängste und Sorgen sich dahinter bei Betroffenen und Verwandten verbergen.

Demenz bringe Familien an den Rand des Leistbaren, ja häufig an die Grenze ihrer eigenen gesundheitlichen Belastbarkeit, auch an existenzielle Grenzen, so Reinhold Hoffmann, Vorsitzender der Baccumer SPD. St. Katharina in Thuine sei eine Insel und für die Angehörigen häufig Rettung in letzter Not.

Ebenso offen wie einfühlsam schildert Schwester Debora die Arbeit im Haus. „In die Schuhe des Bewohners treten“: Mit diesen Worten beschreibt die Leiterin das Konzept der Einrichtung. Der Demenzkranke darf dort so leben, wie er es möchte. Eine Begrenzung findet nur in solchen Fällen statt, wo die Gesundheit gefährdet ist. Dabei spiele das Raumkonzept in der Acht eine wichtige Rolle. Die Patienten könnten „laufen ohne Ende“. Natürlich sei das für die Pflegekräfte und Angehörigen mit Suchen verbunden, sagt die Schwester. „Aber niemand sagt: Du bist hier falsch.“

Das Eingehen auf den Demenzkranken, auf seine Biografie, sei Grundvoraussetzung für einen Umgang mit ihm. Dieser Umgang sei dadurch eben nicht von Unverständnis oder gar Aggressivität geprägt. „Wer in seinem Berufsleben ein Chef war, wird hier auch so behandelt“, gibt die Schwester ein Beispiel. Der Weg in die „Konferenz“, auf dem die Pflegerin den Demenzkranken begleitet, ist tatsächlich der zum Umkleiden ins eigene Zimmer.

Dies setzt eine hohe Toleranzbereitschaft voraus, bei Pflegekräften wie Angehörigen. Sie müssen es aushalten können, wenn der geschenkte Pullover für den Ehepartner von einem anderen Heimbewohner getragen wird, weil sich der im falschen Kleiderschrank bedient hat.

„Die Angehörigen müssen damit leben können, wenn sie uns besuchen“, sagt die Schwester. Ob sie dies könnten, spüre der Demenzkranke übrigens ganz genau. Auch wenn sich seine Persönlichkeit stark verändere, werde seine Feinfühligkeit eher noch stärker. „Das Herz wird nicht dement“, unterstreicht die Leiterin.

Die Arbeit im Haus ist nach ihren Worten deshalb mehr Berufung als Beruf. „Das kann nicht jeder“, sagt sie und betont gleichzeitig, dass es dennoch keine Probleme gebe, Personalkräfte zu bekommen, die dieses schwierige Tätigkeitsfeld meistern.

Die alte Dame ist inzwischen wieder eingetroffen. „Ich muss nach Hause“, wiederholt sie und lächelt erneut. Ist sie zufrieden? Schwester Debora ist sich da sicher. „Wenn ich nicht mehr abhängig bin vom Urteil anderer, ist das nicht so schlecht“, sagt die Leiterin.

Ihre ungeschminkte Darstellung dessen, was Demenz – gerade im Endstadium – für Betroffene wie Angehörige eigentlich bedeutet, hinterlässt bei den Besuchern zweierlei Gefühle: Erschütterung und Erleichterung zugleich. Einrichtungen wie diese in Thuine können einen Weg erleichtern, den sich niemand aussucht.