Montag, 12. Januar – Forum Juden – Christen ruft zur Montagsdemonstration in Lingen auf

Die in einigen deutschen Städten stattgefundenen Montagsdemonstrationen geben Anlaß zur Sorge - zur Sorge um das Bewußtsein unserer Gesellschaft von ihren Aufgaben, ihrer zukünftigen Entwicklung und auch und vor allem vom Verständnis ihrer eigenen Verpflichtung auf die universalen Menschenrechte. Grund solcher Sorge sind die Reaktionen der Menschen auf die neue Flüchtlingswelle, die auf Europa zukommt und die damit zugleich transportierte Angst vor Überfremdung durch andere Kulturen und Religionen und deren eigenen Machtanspruch.

Aufruf des Forum Juden Christen. Lesen Sie dazu Dr. Heribert Lange; Vorsitzender des Forum

Die Rat- und Hilflosigkeit, mit denen die Regierenden dieser durch unsere Gesellschaft wabernden, von PEGIDA beförderten und transportieren Fremden-, Ausländer-, Randgruppen-, d.h. Menschenfeindlichkeit – von de Maiziere bis Gabriel  –  begegnen, ist Grund zu weiterer Sorge, nämlich der, dass es PEGIDA gelingen könnte, sogar die Hirne auch vernünftiger und rational denkender aufzuweichen oder zu vergiften. Allemal dann muß man darum fürchten, wenn diese und andere Politiker tönen, man müsse die Sorgen und die Ängste der PEGIDA-Leute ernst nehmen.

Mit Feindbildkonstrukten wurden die europäischen Gesellschaften vor 100 Jahren auf die Rassenideologie der Nazis eingestimmt. Die damit verbundenen Schuldzuweisungen, die im Wesentlichen mit anderen Lebens- und Kulturgewohnheiten von Juden, Roma oder auch Homosexuellen belegt  wurden, wurden von der verunsicherten und willenlos staunenden Gesellschaft unwidersprochen und geradezu dankbar aufgenommen und dienten am Ende sogar als moralische Rechtfertigung des furchtbaren und gigantischen Völkermords der Nazis.

Wenn wir vor diesem historischen Hintergrund heute die Verständnis-Lyrik eigentlich wohl gestandener Politiker hören oder davon lesen, müssen wir fürchten, dass ihr nächster Schritt der sein könnte, auf die Trittbretter des PEGIDA-Zugs aufzuspringen, was letzlich nichts anderes bedeuten würde, als den GG-Artikel 1, „Die Würde des Menschen ist unantastbar“, aus seiner grundsätzlichen und aus seiner praktischen Geltung zu entlassen.

Ásylsuchende, Flüchtlinge und Migranten kommen mit keinem anderen Begehren zu uns, als der Frage, ob die Grundrechte unserer Verfassung, denn sie sind Menschen wie wir, auch für sie gelten. Und allein um dieses Menschenrecht  geht es, wenn wir zu ihnen Ja oder  sie gelten. Und allein um dieses Menschenrecht geht es in Wahrheit, wenn wir zu ihnen Ja oder Nein sagen, und damit auch darum, ob wir bereit sind, Menschenrechte, die sich der abendländischen Kultur, leider aber auch der jüngeren deutschen Geschichte (UN-Menschen-rechtscharta 1948) verdanken, zur Disposition zu stellen und damit übrigens auch unser eignes Recht, sie für uns noch in Anspruch nehmen zu können. Formeln wie „Das Boot ist voll“ oder „Kampf der Überfremdung“ oder „Aushöhlung unserer Sozialsysteme“ sind  Rattenfänger-Botschaften, die allein dazu dienen können, diese Grundfrage zu verschleiern oder zu verfremden und auch die Frage unserer moralischen Verpflichtung und der Glaubwürdigkeit unserer Gesellschaft gar nicht erst aufkommen zu lassen.

Es bleibt also dabei, dass es  keinen moralischen Weg am Asylrecht unserer Verfassung vorbei geben kann und auch nicht geben darf. Und es bleibt dabei, dass die Pflicht zur humanitären Hilfe unabweisbar ist und bleibt. Und es bleibt auch dabei, dass das Argument „weil in der Herberge kein Platz war“ ein UN-Argument ist – nicht anders als vor 2000 Jahren, in der Zeit der Geburt Jesu. Und: In einer aufgeklärten Gesellschaft kann es nicht, auch nicht vor dem Hintergrund ihrer Verfassung, um Ausgrenzung, sondern nur um Solidarität gehen  –  allemal gegenüber denen, die um unsere Hilfe und unseren Schutz nachsuchen.

Deshalb rufen wir zu einer baldmöglichst (12. Januar 2015) stattfindenden Montagsdemonstration in Lingen auf, z.B. als Lichterprozession auf dem dann durchaus symbolträchtigen Weg vom Bahnhof zum Rathaus, und wir möchten um Ihre Zustimmung dafür werben. Aber auch dafür wollen wir werben, dass diese Veranstaltung, deren Stoßrichtung PEGIDA wäre, sich breitester Unterstützung aus der Politik/Rathausparteien/Verwaltung, den Jugendorganisationen (Stadtjugendring, Schulen), Vereinen (Bürgerschützen, Kivelinge), der Wirtschaft, Betriebe und Gewerkschaften, der Sozialverbände und last not least der Kirchen sicher sein könnte.-

 

Dr. Heribert Lange            

   Vorsitender